Machbarkeitswahn

(auch: Komplexitätskomplex)

Für die Erledigung einer Aufgabe oder die Lösung eines Problems gibt es zwei Pfade: Den einfachen, pragmatischen und den komplizierten. Wählen Sie stets letzteren. Die Liebe zur Komplexität ist eng verwandt mit der Bürosünde des Hundertprozentbeharrens.

 

Bilden Sie eine Arbeitsgruppe, die das Problem erst einmal näher analysiert. Beauftragen Sie Berater oder alternativ Praktikanten mit komplexen Recherchen und Lösungsmöglichkeiten in allen erdenklichen Alternativen. Entwickeln Sie vor allen Dingen eine technokratische Komplexitätsliebe: Vergöttern Sie stets die Technik als Heilsbringer für alle auftretenden Probleme. Holen Sie die IT-Abteilung oder externe Software-Unternehmen an den Tisch. Auf eine klare Formulierung der Anforderungen sollte dabei verzichtet werden. Die sind Ihnen schließlich selbst völlig schleierhaft. Fragen Sie lieber, was alles möglich ist – und genau das geben Sie auch in Auftrag. Sie wollen die eierlegende Wollmilchsau mit einem Blumenstrauß an Funktionen. Man weiß ja nie. Lassen Sie die IT-Experten Prozesse modellieren. Binden Sie jedoch bloß nicht die Mitarbeiter ein, die später damit arbeiten müssen und sich mit der aktuellen Situation am besten auskennen. Das könnte nämlich zur Folge haben, dass eine einfachere Lösung offenkundig wird und Ihre High-Tech-Variante alt aussehen lässt. 

 

Ziel ist es, eine technologische Lösung zu schaffen, die nur ein kleiner Kreis von Menschen beherrscht oder zu der nur wenige einen Zugang haben. Vor allem aber sollte sie die Anwender vor neue Probleme stellen, denen man natürlich wieder auf technokratische Weise begegnet. Aufwändige Nachbesserungen oder Anpassungen durch Programmierer sollten regelmäßig erforderlich sein.

 

Das Herz für die Komplexität sollte auch bei Verbesserungsvorschlägen von Mitarbeitern am lautesten schlagen. Einfache Ideen werden wegen ihrer Trivialität mit folgenden Worten abgeschmettert: „Diese Verbesserungsidee entspricht nicht dem hohen Anspruch unseres Unternehmens.“